Liebe Kollegen/innen, sehr geehrte Fahrgäste,
bis vor wenigen Jahren musste man sich bei einer Taxifahrt in Bremen meist nicht um die Gefährdung seiner Privatsphäre Gedanken machen. Das ist heute leider nicht mehr so. Unsere Fahrgäste müssen sich, ebenso wie alle Taxifahrer/innen, heute um den Datenschutz sorgen.
Kundendaten werden ohne Notwendigkeit weitergegeben. Der Druck auf uns Arbeitnehmer steigt durch permanente Gängelung, Verhaltens- und Leistungskontrolle, ermöglicht durch ein umfassendes GPS-Tracking, immer weiter an (siehe hierzu den Beitrag Modern Stalking).
Auf dieser Seite:
Thema "Datenschutz im Taxigewerbe":
Die IG hat bereits in einem Gespräch am 02.11.12 diskret auf die Datenschutzverstöße aufmerksam gemacht und angekündigt, dass wir bereits die Rechtslage geprüft haben. Später ließ der Taxi-Ruf wissen, dass er zu keinerlei Nachbesserungen bereit sei. Daher wandte sich die IG Bremer Taxifahrer im Februar dieses Jahres an die Landesdatenschutzbehörde und an die Arbeitnehmerkammer und wendet sich nun, zur Durchsetzung unserer bisher verweigerten Rechte, auch an die Öffentlichkeit.
Das Tracking und die Weitergabe sensibler Kundendaten muss aufhören. Die Landesdatenschutzbehörde hat ihre Bedenken gegenüber dem Datenschutzbeauftragten des Taxi-Ruf, Kay Gunkel, formuliert und zur Abschaltung des "Halterportals" aufgefordert.
Bei der Video-Überwachung des Taxi-Innenraums allein ist es nicht geblieben:
Der TR hat für die Unternehmer ein Computer-Portal frei geschaltet, dass es jedem interessierten Unternehmer und weiteren Personen ermöglicht, die Fahrer und Fahrerinnen umfassend zu überwachen. Das sogenannte “Tracking” ermöglicht nicht nur eine momentane Feststellung des Standorts, sondern eine lückenlose Dokumentation jeder Fahrzeugbewegung! Unter der Fahrzeugnummer und der angemeldeten Fahrernummer lassen sich neben dem jeweiligen Status des Fahrzeugs (besetzt, frei), Position und Wegstrecke nicht nur für den Moment, nicht nur für Stunden, nicht nur für einzelne Schichten - sondern für mehrere Tage feststellen! Jeder eingeloggte Unternehmer kann diese Daten jederzeit am PC-Bildschirm einsehen, oder sich aber auch Fahrzeug- bzw. FahrerInnen-Bewegungen ausdrucken. Jeder Unternehmer kann also in Echtzeit schauen, was seine FahrerInnen gerade im Moment so machen, oder aber eben auch überprüfen, was gestern, vorgestern oder an irgendeinem anderen Tag gelaufen ist. Das Ganze hübsch modern in tabellarischer Form oder kartiert wie beim Routenplaner für den Wochenendausflug. Die Funktionen des Überwachungsspielzeugs sind auf einer Extraseite erklärt.
Der Taxi-Ruf hat den Unternehmern damit ein Instrument an die Hand gegeben, mit dem sie umfassende Bewegungsprofile der angestellten Fahrer und Fahrerinnen anfertigen. Zur Tourenvermittlung durch die Fahrzeughalter hingegen wird dieses Portal, wie wir alle wissen, fast nie genutzt, und dazu wäre es auch nicht notwendig. Statt Werkzeug könnten wir deshalb auch von “Spielzeug für Allmachtsfantasien” sprechen - dafür ist diese Sache aber definitiv zu ernst!
An das “Tracking”, die längere Speicherung der Bewegungsdaten, sind rechtlich sehr hohe Anforderungen geknüpft. Nach Unserer Auffassung ist das Vorgehen des TR in dieser Weise grob unzulässig (siehe: Rechtslage Datenschutz). Ist es möglich, dass der Unternehmerverband mit über 1500 Angestellten seiner Mitglieder, der Monopolist des Bremer Taxigewerbes mit 10.000 Fahrgästen jeden Tag, das nicht weiß? Oder weiß der TR es doch, aber es ist im egal? Oder will der TR es genau so?
Der TR-Hausanwalt Kay Gunkel wird nun wahrscheinlich erneut versuchen, die ganze Kiste noch irgendwie zu retten. Das ist sein Job, und dafür wird er gut bezahlt. In
anderer Funktion ist er aber auch bezahlter Datenschutzbeauftragter des TR. Mit dem heutigen 2. Vorsitzenden Wolfgang Verbeek hat der Taxi-Ruf Bremen außerdem einen ausgewiesenen Fachmann an
Bord. Er ist auch Vorsitzender des Ausschusses „Technik und Software“ beim "Deutschen Taxi- und Mietwagenverband BZP" und referiert dort über die technischen Aspekte des Datenschutzes.
Bei Einführung des Gefos-Vermittlungssystems wurde kostspielige Hardware in die Fahrzeuge eingebaut. Dafür nahm der TR, so wird (offiziell unbestätigt) berichtet,
als Verein einen Millionenkredit auf, den seine Mitglieder nun in monatlichen Kleinstraten abbezahlen müssen. Zur Summe, wieviel davon für das "Halterportal" verwendet wurde, liegen uns keine
genauen Angaben vor. Für ein eigentlich unzulässiges Werkzeug in jedem Fall zuviel, denn nun ist das Geld weg, und das Halterportal ist es auch bald. [Update 22.04.: Nach Information auf
der Generalversammlung des TR wurden für die Schnittstelle "Halterportal" 2.800 € netto bezahlt.]
Da liegt einem eine Frage auf der Zunge, die jedoch zu stellen nicht auch noch Sache der Fahrervertretung sein kann. Und mal abgesehen von zukünftigen Entwicklungen im Verein, bleibt ein “Tracking“ in diesem Ausmaß und die Weitergabe der Daten in unseren Augen illegal und wir sind froh, wenn wir eines Tages wieder unbehelligt unserer Arbeit nachgehen könnten.
Ob der Taxi-Ruf sich schlicht nicht um die Rechtslage gekümmert hat, ob er dazu fachlich nicht in der Lage war oder ob er sich bewusst über die Rechte von Fahrern, Kunden und Angestellten hinweggesetzt hat, können wir nicht beantworten.
Was wir sagen können ist jedoch, dass wir einen solchen Umgang miteinander ablehnen. Aus Sicht der Fahrervertretung wurden die Rechte der Fahrer mit Füßen getreten. Und das ist der eigentliche Skandal!
Es handelt sich hier offenkundig nicht einfach “nur” um eine “Panne”, sondern wahrscheinlich um einen eklatanten Fall organisierten Missbrauchs! Der Taxi-Ruf hat nämlich genau diese Überwachungspolitik aktiv organisiert, die technischen Möglichkeiten via “Digitax” durchgesetzt und die Fahrer und Fahrerinnen bewusst im Unklaren gelassen, welche Möglichkeiten das digitale Funksystem den Unternehmern bietet. Das Unternehmer-Portal ist schließlich kein Programmierungsfehler, sondern ein sehr bewusstes “Angebot” an die TR- Unternehmer, wahrscheinlich nach dem Motto “Schaut her, was ‘Digitax’ alles so kann.“ Wir waren nicht dabei, aber wir kennen nur zu gut die Klientelspolitik des TR-Vorstands, etwas anzubieten, um (wieder-) gewählt zu werden.
Es ist darüber hinaus auch kein Fahrer und keine Fahrerin explizit darüber aufgeklärt worden, dass dieses “Tracking” so umfangreich und mächtig möglich ist bzw. überhaupt erfolgt. Im (nichtigen) “Gestattungsvertrag”, den ja alle Taxler beim TR in der Vergangenheit unterschreiben mussten, wurde zwar ganz allgemein auf eine Daten-Speicherung im Zusammenhang mit der Tourenvermittlung hingewiesen - was, wann, wo, in welchem Unfang, in welchem Zeitraum für wen, wann einsehbar gespeichert wird, davon kein Wort!
Unabhängig von den rechtlichen Dimensionen fragen wir im Namen der gesamten Fahrerschaft: Was für ein Verhältnis offenbart der TR hier (erneut) gegenüber “seinen” Fahrern und Fahrerinnen?! Sind wir Taxler “Kriminelle”, die man überwachen muss? Und gelten in diesem Gewerbe die allgemeinen rechtsstaatlichen Maßstäbe nicht?
Wenn eine Taxi-Zentrale oder Unternehmer Allmachtsfantasien ausleben, FahrerInnen umfassend überwachen und dafür die technischen Möglichkeiten unserer Zeit scham- und hemmungslos ausnutzen - dann kotzt uns das an! Aber das lassen wir uns eben auch nicht mehr gefallen! Die IG hat gehandelt, wir haben die Sachen öffentlich gemacht - und genau so werden wir weiter machen! Wir lassen uns weder erpressen noch verarschen, und schon gar nicht lassen wir uns für dumm verkaufen.
Man kann den Vereinsmitgliedern, den Unternehmern und unseren Chefs nur wünschen, dass sie sich im eigenen Interesse für eine Verbesserung der Vereinskultur beim Taxi-Ruf erfolgreich einsetzen.