Am 15. Januar überraschte der Bremer Weser Kurier auf der ersten Seite mit dem Aufmacher: „BSAG steigt ins Taxigeschäft ein“ Diese Meldung überraschte alle im Gewerbe vollends, wurde das Taxengewerbe doch ohne jegliche Ankündigung vor vollendete Tatsachen gestellt. Bei den Verantwortlichen vom örtlichen Taxenmonopolisten, dem Taxi-Ruf Bremen sowie der örtlichen Fachvereinigung des Bremer Taxengewerbe, setzte Schnappatmung ein. Würde doch ein solches Geschäftsmodell des örtlichen Nahverkehrsriesen in den Gefilden des Taxigewerbes räubern und Kunden abwerben.
Was war hier geschehen und warum
alles ohne Beteiligung des angestammten Taxengewerbes?
Es gibt schon lange eine gewisse Zusammenarbeit zwischen BSAG und dem Taxigewerbe in Bremen, z.B. in Form von sog. Ersatzverkehren. Einige wenige Buslinien in der Peripherie Bremens, die ein besonders schwachen Auslastungsgrad aufweisen und damit für die BSAG nicht rentabel betrieben werden können, werden an das Taxigewerbe ausgelagert. Ein Großraumtaxi ersetzt diese zumeist Buslinien im regelmäßigen Takt des Busahrplans, so z.B. die Buslinie Nr. 80 zwischen Depot Gröpelingen und Industriehäfen/ Hüttenstr.
Gelegentlich werden auch sog. Schieneneratzverkehre durchgeführt, immer dann wenn, schwach frequentierte Linienabschnitte durch Bauarbeiten vorübergehend außer Dienst gestellt sind. Zudem können aus allen Bussen und Bahnen über den Schaffner gezielt Taxis zu einer bestimmten Haltestelle bestellt werden, die dann zum normalen Taxentarif ausgeführt werden. Eine Übersicht dazu. Zu guter Letzt befördert das Taxengewerbe all abendlich regelmäßig zum Feierabend (meist nach 24:00 Uhr) einige Bus- und Bahnlenker von den großen BSAG-Depots zu anderen Depots, wo sie ihre privaten PKWs stehen haben und ursprünglich ihren Dienst begonnen. Zwischen den Taxlern und den BSAG-Lenkern herrscht ein herzlicher und respektvoller Umgang, weisen doch die Arbeitsbedingungen, Arbeitsnöte und Probleme im fließenden Verkehr bei beiden Verkehrsträgern gewisse ähnliche Probleme und Parallelen auf.
Doch auf Ebene der Unternehmenslenker scheint die Situation eine andere zu sein. Beide Verkehrsträger buhlen um Kunden, teilweise im gleichen Marktsegment. So
führte die Einführung der Nachtlinien vor 20 Jahren in der Nachtschicht des Taxengewerbes zu einen ganz erheblichen Kundenschwund. Aus Sicht der BSAG und der gesamten Bremer Bevölkerung war es
ein gelungener Streich, doch das Taxengewerbe hat sich bis heute nicht von dieser zusätzlichen nächtlichen Konkurrenz erholt. Geschätzt drei bis fünf Fahrten pro Nacht gehen jedem Taxi pro
Schicht verloren und damit ein ganz erheblicher Umsatz von schätzungsweise bis zu 30 Prozent. Kompensiert werden konnte dieser Schwund bis heute nicht ansatzweise.
Individuelle Mobilität im Wandel
Doch in jüngster Zeit wird das Thema urbane Mobilität als eines der großen relevanten gesellschaftlichen Themen begriffen und es scheint sich nach Jahrzehnten des Stillstandes eine ganz neue Art und Weise heraus zu kristallisieren, wie damit umzugehen ist. Der Wandel der Mobilität wird auf allen Ebenen und in allen erdenklichen Formen wird neu betrachtet, thematisiert und hinterfragt. Mehrere Dutzend neuer Mobilitätsanbieter, kleine Start-Ups, wie auch ganz große milliardenschwere Multis (UBER, DiDI und viele weitere), arbeiten an neuen Ideen und Konzepten, teilweise mit beachtlichem Erfolg. Der Wandel geht von der puren Vermittlung des etablierten Taxis (MyTaxi) über neue Anbieter bis hin zum erobern völlig neuer Nischen (z.B. Aligator, CleverShuttle - um nur einige wenige zu nennen) aus und der Prozeß des Wandels hat jetzt erst begonnen. Richtig gehört: Wir stecken gerade in einem gigantischen Transformationsprozeß, der just erst Fahrt aufgenommen hat. Viele, wenn nicht gar sehr viele, der etablierten Anbieter im Taxengewerbe werden sich wohlmöglich in einigen Jahren nach einem neuen Betätigungsfeld umsehen müssen.
Am Ende der bevorstehenden Transformationskette steht nach dem derzeitigem Stand der Dinge das autonom fahrende Robo-Taxi (Mobility-on-Demand), welches auf Knopfdruck mittels App gerufen, vor die Haustür fährt und uns irgendwann zum halben Taxipreis befördern wird.
Ist die Katastrophe für das etablierte Taxengewerbe noch abzuwenden?
Wohl kaum, behauptet Karl-Heinz Lübsch in seinen Kommentaren über das Ridesharing (Sammeltaxi) in der Fachzeitung Taxi-Times.com und kritisiert die systemimmanenten Unzulänglichkeiten und das Versagen des gesamten Taxengewerbes:
Immer und immer wieder die gleiche alte Leier und kläglichen Verhaltensweisen: jammern, lamentieren und Forderungen stellen. So wird die Welt und das Taxengewerbe nicht geändert Herr Müller vom BZP. All die Innovationen und neuen Ideen werden außerhalb des Gewerbes entwickelt und umgesetzt. Die Idee hinter Carsharing bzw. Taxipooling ist schon ungefähr 10-15 Jahre alt. Seit etwa 5 Jahren wird dieses Thema wissenschaftlich heiß diskutiert und bereits rege erforscht. Alles nachzulesen in Netz. Doch sehr wahrscheinlich steckt hier ein riesiges Potential und eine fette Rendite drin.
Nichts als Versäumnisse im verschnarchten Taxengewerbe und insbesondere auch beim BZP. Mindestlohn und Fiskaltaxameter (und damit faire und ordentliche Arbeitsbedingungen) bekämpft bis in die Neuzeit, die APP als Bestellmedium lange Zeit ausgelacht und nach wie vor völlig vernachlässigt. Die mickrigen Downloadraten der gewebeeignen APPs sowie die im Vergleich zu MyTaxi äußerst geringe Nutzung sprechen Bände. Der digitale Wandel in Wirtschaft und Gesellschaft wird lediglich kritisch beäugt (wenn überhaupt), aber mangels Zellstoff ignoriert und wenn möglich noch bekämpft.
Das gesamte Gewerbe hat sich aufgrund des Monopolschutzes durch das PBefG ein halbes Jahrhundert nicht recken und strecken müssen und deshalb keine Gene für Anpassung, Veränderung und Dynamik, entwickelt. Seit der Erschaffung des PBefG im Jahre 1961 ist bis Ende der 2000’er Jahre (immerhin knapp 50 Jahre!) kaum etwas Nennenswertes passiert oder eingetreten, daß den Markt in irgendeiner Art und Weise verändert, geformt oder weiterentwickelt hat. Es gab lediglich eine gewisse Konkurrenz mit dem oder zum Mietwagen, die sich in den Hauptmärkten der Großstädte jedoch kaum gravierend ausgewirkt hat.
Das lediglich einfache Bereithalten und die einfache Mitgliedschaft in großen Zentralen war der Garant für das erwirtschaften einer sog. Monopolrendite. Substanziell, also weder qualitativ, organisatorisch noch produkttechnisch, haben Entwicklungen, wie sie in offenen Märkten durch den natürlichen Einfluß vom Konkurrenz entstehen, stattgefunden.
Die gesunde Monopolrendite war offensichtlich so ertragreich, daß eine typische Konzentration auf Zentralen- und insbesondere Unternehmensebene stattgefunden hat, leider auf dem Rücken der angestellten Chauffeure, die durch die branchenweit typische Umsatzbeteiligung, wie Sklaven in die unternehmerische Verantwortung gedrängt worden sind und bei Lichte betrachtet völlig unzumutbare Arbeitsbedingungen auszuhalten hatten. Dieses Schicksal erlitten auch die selbstfahrenden EWUs. Doch solange genug zum „abgreifen“ da war, stimmte die Rechnung für viele Beteiligte, denn über viele Jahrzehnte hinweg war es teilweise doch recht erklecklich.
Die Mitschuld am Versagen trifft natürlich auch den Gesetzgeber, indem er das PBefG und alle Nebengesetzte nicht ausreichend angepaßt hat sowie die lokalen Behörden, die Jahrzehnte lang und bis in die heutige Zeit wie besinnungslos einfach nur Konzessionen abgestempelt haben, ohne einen blassen Schimmer davon zu haben, was tatsächlich Phase im Gewerbe ist.
Die Protagonisten im Gewerbe, die ich im Übrigen mit wenigen Ausnahmen für völlig hemdsärmelig halte, haben dankt der Dauerfeuerberichterstattung der letzten Jahre aus den Medien nun endlich über die anstehenden und gravierenden Veränderungen im Beförderungsgewerbe erfahren und das sich alles (wohlgemerkt alles) für sie ändern könnte und wahrscheinlich auch wird.
Das Taxengewerbe ist m.E. bereits jetzt ein totgeweihter Kandidat, welcher in den nächsten 10 bis 15 Jahren aus dem Markt gedrängt werden könnte, doch die gegen Bezahlung zurückgelegten Beförderungskilometer werden gleichzeitig explodieren, so oder so. Welch ein Anachronismus? Es müßte proaktiv einfach zu viel in kurzer Zeit geschehen, um so etwas wie ein ‘soft landing‘ zu realisieren, und um an den künftigen Markt weiter partizipieren zu können. Doch das Gewerbe ist weder personell noch strukturell dafür gerüstet und es fehlen die notwendigen Ressourcen an den richtigen Stellen.
Von genau dieser Kritik ist auch das Bremer Taxengewerbe in seiner jetzigen (noch) Form nicht weit entfernt. Nun wird der Aufsichtsrat und Vorstand des
altehrwürdigen Taxi-Ruf zusammen kommen und tagen aber wir wissen schon jetzt, daß dabei nicht Brauchbares herauskommen wird, so wie in der Vergangenheit eben auch. Innovationen machen
andere.
In einem Interview bei Radio Bremen, fiel dem ersten Vorsitzenden des Taxi-Ruf Bremen auch nicht mehr ein, als zu äußern, daß er schlichtweg entäuscht sei. Doch über die wahren Gründe des Versagens wird geschwiegen.
In einem zweiten Teil werden wir die Hintergründe des Scheiterns weiter beleuchten und versuchen das Konzept der BSAG genauer unter die Lupe zu nehmen.
Auch in diesem Bericht werden die 50 Mio Zuschüsse jährlich erwähnt.
Freds Buchholz (der Vorsitzende des Taxi-Ruf Bremen) "Rumgeeiere" warum die Zusammenarbeit mit BSAG nicht klappt, ist natürlich Quatsch.
Da hätte er auch gut mal die 50 Millionen Zuschüsse erwähnen kritisieren können.
Strassenbahn-Fahren ist in Bremen deutlich zu günstig und die Fahrer haben jahrzehntelang zu viel verdient. Ein gewöhnlicher Busfahrer hat früher locker 5.000 DM brutto verdient und kassiert jetzt eine üppige Betriebsrente.
Das waren die zentralen Ursachen für die Misere der BSAG, vorgestellt von einem Aufsichtsratmitglied der BSAG, welcher diesen Umstand früher als Honorar-Professor an der Bremer Uni im Bereich Wirtschaftswissenschaften vortrug.
Dazu werden heute weitere unrentable Linien ausgebaut und die Busse fahren nachts leer durch die Gegend. Nur auf wenigen Strecken lässt die BSAG eine Kooperation mit dem Taxigewerbe in Form von Anruf-Sammeltaxen zu (etwa in Hasenbüren und Strom usw.).
[Kommentar wird auf Wunsch des Urhebers überarbeitet]