Zur Themenseite: Datenschutzversagen des Taxi-Ruf Bremen
Auf Initiative des Landesdatenschützers Harald Stelljes fand am 14.05.2013 ein dreistündiges Gespräch in den Räumen des Taxi-Ruf statt. Ziel sollte die Klärung teilweise widersprüchlicher Darstellungen von Taxi-Ruf und IG sein. Der Landesdatenschützer kündigte am Ende des Termins an, dass er die unverzügliche Einstellung der Gesprächsmitschnitte anordnen wird. Die Speicherdauer der GPS-Daten in der Zentrale muss in Zukunft wahrscheinlich deutlich verkürzt und die „Tracking-Funktion“ des Halterportals deaktiviert werden. Der Taxi-Ruf könnte dann dagegen noch Rechtsmittel einlegen und gegen die Behörde eine aussichtslose Klage anstrengen - oder aber endlich einlenken.
Zu Beginn des Gespräches stellte der Landesdatenschützer heraus, dass es im Wesentlichen um eine Beurteilung nach § 28 des Bundesdatenschutzgesetzes geht. Er schreibt u.a. vor, dass auch nach Alternativen zur Datenerhebung und –verarbeitung gesucht werden muss. Schließlich muss auch eine Rechtsgüterabwägung stattfinden; nämlich muss geklärt werden, ob objektiv vorliegende, dringende Gründe den Eingriff in das Grundrecht rechtfertigen. Vor allem aber dürfen Daten nach § 3a BDSG nur „sparsam“ erhoben werden.
Zur Erörterung der notwendigen Speicherdauer in der Zentrale gab Wolfgang Verbeek zu bedenken, dass die Zentrale bei 10 % aller Bestellungen Nachbearbeitungen, z.B. in Form von Reklamationen, vornehmen müsste. Reklamationen „Taxi kommt nicht“ würden meist innerhalb von 30 Minuten nach der Bestellung erfolgen. Dafür ist ein Tracking und die Speicherdauer von sechs Tagen jedoch nicht erforderlich, wie übereinstimmend festgestellt wurde.
Die Übermittlung von Daten, die bei der Benutzung des „Car-PC“ anfallen (es werden alle Serviceanfragen des Fahrers mit Adresse, Bewerbung auf Raumangebote, Pausen, Taxameterstatus etc. gespeichert) sind dabei nicht zur Vermittlung notwendig und widersprechen dem Grundsatz der Datensparsamkeit – fallen aber angeblich „automatisch“ an. Ingo Heuermann stellte in Aussicht („das soll jetzt keine Drohung sein“), dass man diese Funktionen, wie die Flugplanabfrage, auch für die Fahrer deaktivieren könne – dass würden „eure IG-Mitglieder bestimmt nicht gut finden“. In diesem Zusammenhang zog Stelljes in Erwägung, dass die Datenschutzbehörde tatsächlich auch einen oder mehrere Informatiker mit einer Begutachtung des Systems beim TR beauftragen könnte.
Aber auch die Erzählung vom netten Zentralen-Onkel wurde angebracht. Die lange Speicherdauer der Trackingdaten sei, so Rechtsanwalt und Datenschutzbeauftragter des TR, Dr. Kay Gunkel, zur Gefahrenabwehr erforderlich. So gäbe es Fälle, in denen Taxen vermisst würden und dann wäre ihr letzter Standort interessant, „um dem Fahrer zu helfen“. Dabei stellte Stelljes fest, dass dabei auch eine Speicherfrist von 12 Stunden ausreichen würde, aber sicher nicht mehr als 24 Stunden. Auch die Weitergabe der Trackingdaten an den Fahrzeughalter wäre damit nicht gerechtfertigt, denn dieser könne den letzten Standort einer eventuell vermissten Taxe auch in der Zentrale abfragen. Der Taxi-Ruf selber benötige diese Daten eigentlich nicht: "Das interessiert uns eigentlich überhaupt nicht".
Für eine längere Speicherdauer der Daten in der Zentrale plädierte der TR dennoch, denn es gehe auch um Kundenbeschwerden und darum, Fahrer zu schützen. Es gäbe eben auch Beschwerden über Fahrer, die (absichtlich) Umwege fahren würden oder weibliche Fahrgäste sexuell belästigen würden. Wahlweise ging es hier mal um die bösen Fahrer, die gefunden werden müssen, und ein anderes mal um die Herzensguten, die zu unrecht beschuldigt werden. Es wurden allerhand Vorfälle detailliert und farbenfroh geschildert, in denen das Tracking beinahe Wunder vollbracht haben sollte – sie waren kurzfristig unterhaltsam, jedoch rechtlich wenig beeindruckend. So gab nämlich Christian Nienstedt (Arbeitnehmerkammer Bremen) daraufhin zu bedenken, dass bei einer Rechtsgüterabwägung gegen ein Grundrecht sehr hohe Maßstäbe anzusetzen seien. Herr Stelljes stellte außerdem fest, dass es nicht Aufgabe einer Taxi-Zentrale sein kann, z.B. die familiären Probleme der Fahrgäste zu lösen.
Kundenbeschwerden, Suchmeldungen nach verlorenen Stoffbeuteln oder Wünsche für ein nachträgliches Ausstellen von Quittungen würden zuweilen erst am nächsten Tag oder nach Wochenenden gar erst am Montag vorgebracht. Hier deutete sich an, dass man eine beispielsweise 24-stündige Löschfrist an Samstagen und Sonntagen aussetzen könnte, weil Arbeit an Wochenenden für den TR natürlich auch unbequem wäre. Auch das Argument, dass man nicht jederzeit das nötige Personal für Beschwerdenbearbeitung bereitstellen könnte, und daher längere Speicherfristen benötigen würde, wurde angeführt.
Die wirtschaftliche Zumutbarkeit sei zwar ein Kriterium für den Datenschutz, so Stelljes, aber andererseits kann das, § 28 BDSG folgend, nur für die originären Betriebszwecke der Zentrale gelten. Und da sei es bei allen Reklamationen fraglich, ob der Taxi-Ruf überhaupt der richtige Adressat dafür ist, denn der Fahrgast geht als Kunde nur ein Rechtsverhältnis mit dem Taxi-Unternehmer bzw. dem Taxifahrer ein. Dies gelte umso mehr, wenn der Fahrgast ohne Bestellung am Bahnhof oder Flughafen in ein Taxi einsteigt. Gerade, um eben solche „Einsteigerfahrten“ zu ermitteln, braucht Ingo Heuermann nach eigener Aussage das GPS-Tracking. Funkvermittelte Fahrten, also bestellte Taxen, kann man nämlich leichter über die Auftragsliste ermitteln.
Hier gehe es dem Taxi-Ruf eben auch darum, das Bild des Gewerbes in der Öffentlichkeit positiv mitzugestalten. Nach der Heuermannschen Logik führt die totale Überwachung so zu einem Umsatzwachstum. Wenn die Landesdatenschützer dieser Logik folgen möchten, stellt sich ihnen anschließend die Frage, ob zu diesem abstrakten Zweck - mit fraglichem Erfolg - der Eingriff in die Grundrechte verhältnismäßig ist. Es braucht keine Kühnheit, um die Antwort vorauszuahnen. Zur Rückverfolgung von Taxis könne dem (unzufriedenen) Kunden wohl auch zugemutet werden, sich den Fahrzeughalter, Kennzeichen, oder Konzessionsnummer des Taxis zu merken, wie es vor Einführung der GPS-Technik gehandhabt wurde, meinte ein Vertreter der IG.
Bezüglich der Speicherdauer der GPS-Daten in der Zentrale kündigte Stelljes an, die vorglegten Argumente zu berücksichtigen und in die Abwägung einzubeziehen. Hier wird dem TR dann in Kürze eine Empfehlung oder eine Anordnung zugehen. Sie wird jedoch auf eine deutliche Reduzierung der Speicherfrist (derzeit sechs Tage laut offizieller Verfahrensbeschreibung, 20 Wochen laut Verbeek gegenüber der taz) hinauslaufen.
Zur Weitergabe der Daten an die Halter wurde die Behauptung aufgestellt, dass nur 30 % aller Fahrten vom TR vermittelt würden. Demzufolge müssten 70 % der Fahrten anders generiert werden, eben auch über die Fahrzeughalter, die eigene Touren an eigene Fahrzeuge vergeben würden und daher die Trackingfunktion benötigen würden. Damit sollte wohl suggeriert werden, dass auch bis zu 70 % der Fahrten durch den Fahrzeughalter an die Fahrer direkt vermittelt würden und die Kunden also direkt bei einem Unternehmen anrufen würden - um für diese Datenweitergabe irgendeinen wirtschaftlichen Nutzen zu konstruieren. Dabei stellte sich aber heraus, dass der Taxi-Ruf gar keine genauen Zahlen hat und diese Schätzung allein darauf beruhte, dass 475 Taxen nicht von den 3000 Fahrten, die der TR nach eigenen Angaben täglich vermittelt, wirtschaftlich überleben könnten. Mit anderen Worten gibt der TR diese personenbezogenen Daten wegen einer vermuteten Notwendigkeit an die Fahrzeughalter weiter.
Unglaubwürdig war diese Darstellung allerdings auf den ersten Blick, denn in dem Fahrtenvermittlungsvertrag zwischen Unternehmern und Taxi-Ruf ist ein Abwerbeverbot von Kunden festgeschrieben. Zu dem kam im weiteren Gesprächsverlauf hervor, dass zwar die überwiegende Mehrheit der Unternehmen (bis zu 73 %, insbesondere die "Mehrwagenunternehmer") die Tracking-Funktion nutzt –und somit fast alle Taxen in Bremen überwacht werden– aber nur wenige Firmen darüber nachweislich regelmäßig Fahrten vermitteln. Bei den Liegetaxis werden die Touren meist ohne Nutzung der Tracking-Funktion vergeben. Nach nachvollziehbaren Schätzungen beläuft sich der Anteil der durch die Unternehmer unter zu Hilfenahme der GPS-Ortung vermittelten Fahrten auf wenige Promille.
Stelljes führte aus, dass die Einverständniserklärungen des Gestattungsvertrages nichtig seien. Der Rechtsanwalt Gunkel hielt dagegen, dass die Kontrolle von Arbeitnehmern ein legitimer Zweck sei, auch und v.a. was die Arbeitszeitüberwachung angeht. Hierauf entgegnete die IG, dass die gemeinsame Arbeitnehmerorgansisation und -überwachung kein satzungsgemäßer Vereinszweck des TR sei oder auch keine andersgeartete Aufgabenübertragung vorliege. Die Fahrer haben nur eine arbeitsrechtliche Beziehung zu ihren Arbeitgebern. Der TR wäre demnach ohne Einverständniserklärung und ohne schriftliche Arbeitsverträge nicht berechtigt, Daten zur Leistungskontrolle zu erheben.
Insbesondere ist aber das retrograde „Tracking“ überhaupt nicht notwendig, um den augenblicklichen Standort eines Wagens zu bestimmen und um Fahraufträge zu disponieren. Harald Stelljes machte klar, dass die Rechtssprechung des Bundesarbeitsgerichtes sehr eindeutig und eine solche lückenlose Überwachung eben unzulässig sei. Hingegen sei es den Fahrzeughaltern zuzumuten, sich z.B. über Telefonanrufe bei der Zentrale oder bei den Fahrern nach dem Standort einer Taxe zu erkundigen. Rechtsanwalt Norman Schwiebert von der Kanzlei Meyer & van Nispen, von der IG beauftragt, bekräftigte ebenso, dass zu der lückenlosen Überwachung eindeutig eine zumutbare Alternative bestünde und dass nach der Rechtslage auch die Alternative zwingend genutzt werden müsse.
Auch hinsichtlich des Entwurfes des BDSG (§ 34) wurde nach kurzer Erörterung der Rechtsanwälte Kay Gunkel, Norman Schwiebert sowie des Landesdatenschutzbeauftragten festgestellt, dass die Lage klar sei. Hier reiche allein die Möglichkeit der lückenlosen Überwachung zur Unzulässigkeit aus.
Der Landesdatenschützer kündigte in dieser Sache ebenso an, jetzt eine Abwägung vorzunehmen und sich dann schriftlich dazu zu äußern. Nach dem Stand der Dinge stellt es sich so dar, dass man nun die amtliche Empfehlung oder auch eine Anordnung zur Einstellung der Tracking-Funktion erwarten kann.
Weiter wurde noch auf das Thema Telefonmitschnitte eingegangen. Der TR konnte zwar glaubhaft darlegen, dass sie nützlich für die Arbeit in der Zentrale sein können. Jedoch ist es hier leider so, dass ohne wirksame Einverständniserklärung (sprich: Wahlmöglichkeit) eine Aufzeichnung illegal ist und nach § 201 StGB strafbar sein kann. Wenn der Taxi-Ruf also nicht in der Lage dazu ist, den Anrufer die Wahlmöglichkeit zur Nichtaufzeichnung zu lassen, dann müssen die Mitschnitte vollständig eingestellt werden. Zudem fehlt auch hier eine Einverständniserklärung der Zentralenmitarbeiter. Der Landesdatenschützer kündigte deswegen an, dass der TR nach einer kurzen Abwägung sehr bald mit einer schriftlichen Anordnung der Behörde zur Einstellung der Telefonmitschnitte zu rechnen habe.
Ob der fortgeschrittenen Zeit konnten weitere Themen nur kurz angerissen werden. So wurde der TR bereits aktiv und besserte den Gerätespeicher nach, bei dem die Kundendaten bislang 12 Stunden gespeichert bleiben und von Fahrern nachfolgender Schichten auch eingesehen werden können. Man arbeite weiter daran, die Software zu verändern. Ebenfalls nur angerissen werden konnte das Thema Fahrerdaten/Führerscheindaten, die beim TR gespeichert sind. Bislang konnten auch nachfolgende Fahrer Nachrichten z.B. über abgelaufene Taxischeine ihrer Kollegen lesen. Immerhin hat der TR die Bemühung versichert, solcherlei Pannen in den Griff zu bekommen. Eine schriftliche Vereinbarung zur Aufgabenübertragung typischer Arbeitgeberaufgaben auf die Zentrale gibt es jedoch noch nicht.
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