Die Einführung des allgemeinen gesetzlichen Mindestlohn in Höhe von 8,50 €/brutto pro Stunde ab dem 01.01.2015 wird für das Taxengewerbe die einschneidende Veränderung bedeuten. Die bis heute in den (Groß-)Städten gängige Praxis der Provisionsentlohnung wird damit Geschichte werden. Mit dem Mindestlohn wäre erstmalig ein sozialer Standard im Taxengewerbe festgelegt, der Auswirkungen auch auf andere relevante arbeitsrechtliche Belange hätte. Der weitgehenden Prekarisierung unserer Arbeitsverhältnisse wäre damit ein erster Riegel vorgeschoben worden. Dies ist grundsätzlich zu begrüßen!
Deshalb ist es eine zentrale Aufgabe der IG, alle die Kollegen so umfassend wie möglich überdieses Thema zu informieren, und darüber hinaus die Umsetzung des Mindestlohn kritisch zu begleiten. Das heißt:
=> jegliche Versuche der Taxenhalter, diesen Standard mit unlauteren Methoden wie Vermietungen bzw. Verpachtungen, Einrechnungen von Trinkgeldern, Neudefinitionen von Arbeits- und Pausenzeiten etc. aufzuweichen, entgegenzutreten,
=> uns in der Öffentlichkeit für den Mindestlohn zu positionieren auf und dessen Umsetzung auch für uns Taxifahrer zu pochen,
=> die überwiegenden Vorteile des Mindestlohnes gegenüber den vermeintlichen “Verschlechterungen” für uns Taxifahrer klar herauszustreichen.
Gonz konkret:
Der Mindestlohn korrespondiert mit gesetzlichen Arbeitszeitregelungen. Der Normalarbeitstag beträgt 8 Arbeitsstunden plus 45 Minuten i.d. Regel unbezahlter Pausen. Überstunden sind zulässig, müssen aber vergütet werden. Zwischen 2 Arbeitstagen bzw. Arbeitsschichten ist eine arbeitsfreie Zeit von mindestens 9 Stunden vorgeschrieben. Arbeit an den (4 bis 9) festen und beweglichen gesetzlichen Feiertagen pro Jahr ist entweder nicht gestattet und muss trotzdem vergütet werden - oder muss wie Sonntagsarbeit mit Zuschlägen vergütet werden bei entsprechender (bezahlter) Freistellung an einem anderen Wochentag. Das Bundesurlaubsgesetz schreibt 20 Tage Jahresurlaub bei einer 5-Tage-Woche vor.
Es gibt also vielfältige gesetzliche Regelungen die Arbeitszeit betreffend, die mit der Einführung des Mindestlohns endlich auch Anwendung im Taxengewerbe finden würden!
Der Provisionslohn war letztlich der Ausgangspunkt einer umfassenden Missachtung sozialer und arbeitsrechtlicher Minimalstandards im Taxengewerbe. Überstunden- und Nachtzulagen, bezahlte Feiertage, regulär bezahlte Urlaubs- und Krankentage sind bis dato im Taxengewerbe ebenso unbekannt, wie z.B. die Nicht-Vergütung von Arbeitszeiten ohne Umsatzmöglichkeit in der Waschanlage oder bei längeren Wartezeiten in der Werkstatt.
Der Mindestlohn sichert eine regelmäßige Entlohnung:
8 x 8,50 €/brutto bei einer 40 Stunden-Woche/5-Tage-Woche heißt 1428 €/brutto bzw. 1053,92 €/netto im Monat (Steuerklasse 1 oder 4) - unabhängig von Umsatz, Einsatz und sonstigen Umständen. Die Trinkgelder in Höhe von ca. 250 € kommen noch dazu.
Der Mindestlohn sichert eine regelmäßige Vergütung von Urlaubs- und Krankentagen:
8 x 8,50 €/brutto x 20 Urlaubstage heißt 1360 €/brutto LFZ für den gesetzlichen Urlaubsanspruch. Krankentage müssen ebenso mit 8 x 8,50 €/brutto vergütet werden.
Der Mindestlohn lässt uns Taxifahrer in Zukunft von der allgemeinen Lohn- und Gehaltsentwicklung profitieren:
Bislang sind wir Taxifahrer vollständig von der allgemeinen Lohn- und Gehaltsentwicklung abgekoppelt. Wir sind absolut abhängig vom Engagement der einzelnen Halter und des Taxi-Ruf, und die Geschichte hat uns gelehrt, dass die Allermeisten von uns keinerlei Unterstützung durch die Unternehmer erfahren. Taxifahrer sind im Gegenteil zur eigenen Kundenakquise gezwungen, deren Kosten wir in aller Regel dann auch selbst zu tragen haben (Handy-Flat, myTaxi-Vermittlungsgebühren etc.). Ansonsten sind lediglich minimalste “Lohnerhöhungen” im Zuge der spärlichen Taxi-Tariferhöhungen drin, die von der durchschnittlichen Inflation lang und schlapp aufgefressen werden. Fakt ist vielmehr eine permanente Lohnsenkung im Taxengewerbe seit Jahren.
Auch der Mindestlohn selbst ist in seiner jetzigen Höhe nicht in Stein gemeißelt, sondern soll analog zu den Lohn- und Gehaltsentwicklungen steigen. 10 € Brutto-Stundenlohn sind nicht in weiter Ferne, sondern eine durchaus nahe liegende Perspektive für die nächsten Jahre.
Dass diejenigen unter uns, die einen “anständigen Lohn” nur durch krasse Mehrarbeit in Dimensionen von 60 bis 70 Wochenstunden realisieren können, durch den Mindestlohn möglicherweise nicht profitieren, ist ein Widerspruch. Wenn Alle gemeinsam für eine Sache kämpfen, sollten auch Alle gemeinsam gewinnen können! Wenn aber zusätzlich zum Mindestlohn keine nennenswerte Zuschläge für Nacht-, Wochenend- und Sonntagsarbeit erkämpft werden können - und das sehen wir zunächst nicht - und abgesehen davon jeder Malocher zu Recht darüber zu klagen weiß, dass die auf die Zuschläge erhobenen Sozial- und Steuerabgaben wenig vom vermeintlichen Zubrot übrig lassen, dann wird sich für einige (Nacht-) Fahrer tatsächlich die Frage stellen, was sie davon haben.
Das Problem:
Der Mindestlohn kann Taxifahrern einen garantierten, sozialversicherungspflichtigen Vollzeitarbeitsplatz bieten – und/oder einer weiteren Prekarisierung Vorschub leisten.
Hintergrund ist das alte Lied: es gibt zu viele Taxen, die Kosten für das Taxengeschäft sind zu hoch, Taxen werden nicht als vollwertiger Teil des ÖPNV anerkannt und entsprechend gefördert, die sog. “Aufsichtsbehörden” kommen ihrer Verpflichtung zur Kontrolle in aller Regel in weiten Teilen nicht nach.
Insgesamt hat sich das Taxengewerbe in den letzten 2 Jahrzehnten komplett selber “eingelullt”. Die Unternehmer haben durch Umsatzverkürzung und Abgabenuntreue ohne Ende abgezockt und die Fahrer haben das Spiel mitgespielt und teilweise, im Falle von doppelten Bezug von Sozialleistungen neben ihrem Lohn mit profitiert!
Als die “fetten Jahre” vorbei waren, haben die Unternehmer den (Kosten-)Druck an die angestellten Fahrer weitergegeben. LFZ’s wurden gekürzt, Urlaubs- und Weihnachtsgelder ersatzlos gestrichen, Werkstattaufenthalte während der Arbeitszeit “plötzlich” nicht mehr bezahlt, und der ein und andere Unternehmer hat bei Neueinstellungen auch die Brutto-Prozente am Umsatz von 44% auf 40% gesenkt. Die Kosten für den Taxenschein, die später hinzugekommenen Kosten für die Funkberechtigung beim Taxi-Ruf - alles wurde auf den Schultern der Fahrerschaft abgeladen.
Vor diesem Hintergrund ist im Angesicht des Mindestlohns ist die Idee einiger Unternehmer, den Taxifahrern zukünftig die Fahrzeuge illegal zu vermieten, eigentlich nur folgerichtig. Wir aber sind in der IG als FahrerInnen und/oder selbstfahrende Unternehmer organisiert, und deshalb kann es unseres Erachtens nur folgende Position der IG geben: Unabhängig davon, ob dieses “Modell” rechtlich überhaupt statthaft ist, ob wir angestellte Taxifahrer überhaupt über Kündigungen oder Änderungskündigungen in solche Scheinselbstständigkeiten hineingezwungen werden könnten (und dass andererseits womöglich nicht wenige Taxifahrer sich auf ein solches “Modell” einlassen würden), muss die IG jeden Versuch in dieser Richtung konsequent bekämpfen!
Unser Fazit:
Die IG hält den Mindestlohn aktuell für das absolut zentrale Thema. Unabhängig jeder persönlichen Präferenz muss sich die Fahrerschaft positiv zum Mindestlohn positionieren. Und sie muss sich jedem Versuch, den Mindestlohn zu unterlaufen oder ab absurdem zu führen aktiv widersetzen! Das schließt eine Aktionsmobilisierung der Taxifahrer mit ein.