VON YORK SCHAEFER
Bremen. Bei Taxi-Ruf Bremen, einem Zusammenschluss von etwa 210 hiesigen Taxi-Unternehmern, gibt es Unruhe wegen neuer, sogenannter Gestattungsverträge. Diese Verträge werden alle fünf Jahre zwischen der marktführenden Bremer Taxi-Zentrale und den Fahrern geschlossen. Sie regeln die Zusammenarbeit beider Parteien, darunter beispielsweise den Ablauf der Auftragsvergabe und -annahme über Datenfunk.
Im Herbst dieses Jahres haben Vorstand und Aufsichtsrat von Taxi-Ruf im Rahmen einer Qualitätsoffensive beschlossen, eine neue Klausel in den Vertrag einzufügen. Demnach müssen die Fahrer während der fünfjährigen Laufzeit an fünf verschiedenen je vierstündigen Weiterbildungsmaßnahmen zu Themen wie Taxirecht und Krankenbeförderung teilnehmen und außerdem ein Fahrsicherheitstraining beim ADAC absolvieren. Die Crux aus Sicht vieler Fahrer: Die Kosten in Höhe von 35 Euro pro Fortbildung müssen sie selber tragen, ebenso einen eventuellen Verdienstausfall während der Zeit der Schulung.
Ausschluss vom Funkverkehr droht
Als sich Marco Bark, seit 20 Jahren Taxifahrer bei dem Mehrwagenunternehmen Bremer Taxen Betriebsgesellschaft, weigerte, einen neuen Vertrag unter diesen Bedingungen zu unterzeichnen, drohte ihm ein Mitarbeiter von Taxi-Ruf mit dem Ausschluss vom Funkverkehr. Laut Bark hätte diese Sanktion für ihn Umsatzeinbußen von bis zu 50 Prozent bedeutet. "Ich hätte dann nur noch meine Telefonkunden und Einsteiger an den Taxiplätzen gehabt", sagt der Fahrer.
Nachdem Barks Rechtsanwalt John-Thomas Meyer Kontakt zum Taxi-Ruf aufgenommen hatte, nahm dieser die angedrohte Sanktion zurück. "Der Arbeitsvertrag zwischen meinem Klienten und seinem Taxi-Unternehmer sieht keine Verpflichtung zur Teilnahme an Weiterbildungsmaßnahmen vor", sagt Meyer, der zudem kritisiert, dass Taxi-Ruf viele Fahrer trotz Nachfragen nicht über Neuerungen im Gestattungsvertrag informiert hätte.
Das Problem schien zunächst behoben, nun aber geht der Streit weiter. Taxi-Ruf verfolgt nach wie vor das Ziel, dass im Laufe der Jahre sämtliche 1500 Fahrer der angeschlossenen Unternehmen die Weiterbildungsmaßnahmen absolvieren und selber bezahlen. Wer nicht an mindestens einer Maßnahme pro Vertragsjahr teilnimmt, dem soll nun laut aktualisiertem Gestattungsvertrag der Status "Service-Taxi" entzogen werden. Dieses Prädikat haben momentan noch 90 Prozent der Fahrer inne. Service-Taxi-Fahrer sollen sich durch hilfsbereites Verhalten, sichere Orts- und Sprachkenntnisse sowie ein gepflegtes Fahrzeug mit Kindersitzen und Kreditkartenzahlung auszeichnen.
Aus Sicht Marco Barks und weiterer Fahrer, die nicht namentlich genannt werden möchten, verbirgt sich dahinter der Versuch, die Weiterbildungen unter dem Deckmantel der Freiwilligkeit durch die Hintertür durchzudrücken, da ja niemand den Status "Service-Taxi-Fahrer" tragen müsse. Für den Fall des Wegfalls dieses Prädikats rechnet Bark allerdings mit einem Umsatzverlust von bis zu 50 Prozent. "An Krankenhäusern, der Uni oder an bestimmten Hotels und Restaurants müsste ich mich dann gar nicht mehr hinstellen, da dort nur Service-Taxen bestellt werden", äußert ein weiterer Fahrer seine Bedenken. Dabei seien er und viele seiner Kollegen durchaus bereit, sich schulen zu lassen, allerdings nicht auf eigene Kosten. Andere Fahrer wiederum haben eine Unterschriftenaktion ins Leben gerufen. Sie halten Schulungen für sinnlos, weil sich die Qualität auf diese Weise nicht steigern lasse.
Kundenbeschwerden haben zugenommen
Aus Sicht des Taxi-Rufs war der Status des "Service-Taxis" bereits seit dessen Einführung 2003 an gewisse Standards gebunden, für die sich die Fahrer nun qualifizieren müssten. "Wir müssen etwas tun", sagt Ingo Heuermann, Vorstandsmitglied bei Taxi-Ruf, anlässlich einer steigenden Zahl von Kundenbeschwerden. Diese hätten in den vergangenen fünf Jahren um 50 Prozent zugenommen. Nur auffällige Fahrer nachzuschulen, reiche nicht aus. "Wir wollen prophylaktisch vorgehen", erklärt Heuermann. Auch ein Bremer Taxi-Unternehmer, der ebenfalls anonym bleiben möchte, ärgert sich über die mangelnde Berufseinstellung mancher Fahrer. "Der Service-Taxi-Status wird nicht gelebt", klagt er.
Mittelfristig verspricht man sich beim Taxi-Ruf durch die Weiterbildungen eine Umsatzsteigerung von bis zu 20 Prozent, von denen am Ende auch die Fahrer profitieren würden. "Wir halten dies für verhältnismäßig und zumutbar", rechtfertigt Ingo Heuermann die Kosten für die Schulungen, zu denen niemand gezwungen werde.
Das sieht Hermann Hane, Bremer Landesfachgruppenleiter Öffentlicher Personennahverkehr bei Verdi, anders. Auch der Gewerkschafter erachtet es als "gut und sinnvoll, dass die Anforderungen für Taxifahrer angehoben werden, aber nicht zu Lasten der Beschäftigten, die sowieso nicht besonders gut verdienen". Hane hat zudem "erhebliche Zweifel" an der Rechtmäßigkeit der Regelung bei Taxi-Ruf. Als Beispiel nennt er Lkw- und Busfahrer. Sie seien seit Jahren gesetzlich verpflichtet, an Weiterbildungen teilzunehmen. Der Gesetzgeber habe es jedoch versäumt, klar zu regeln, wer die Kosten übernimmt.