Die AG Taxi Berlin der Ver.di Berlin-Brandenburg lud zwei Vetrteter der IG Bremer Taxifahrer zu einer gemeinsamen Sitzung am 26.04. ein. Tagesordnungspunkte der von Susanne Meinke geleiteten Sitzung waren u. a. der Erfahrungsaustausch für eine Internetpräsenz, Öffentlichkeitsarbeit, Organisationsgrad sowie auch konkrete Maßnahmen zur Vernetzung der gewerkschaftlich oder selbst organisierten KollegInnen.
Unsere „Bremer IG“ gilt inzwischen als Vorbild, da der Organisationsgrad mit knapp 250 Mitglieder bei ca. 1200 bis 1500 Fahrer annähernd 20 % beträgt. Interessant für die Berliner Kollegen war daher auch die Frage, was Triebfeder des starken Engagements in Bremen ist und wie man eine stärkere Durchwirkung in Berlin auch erreichen könne. Angesprochen wurde zum einen eine gewisse Skepsis insbesondere der Taxifahrer gegenüber Gewerkschaften, aber auch herausgestellt, dass eine große Gewerkschaft für die Beschäftigten auch deutliche Vorteile bieten würde.
Unser Interesse galt daher auch den allgemeinen Berliner Verhältnissen und ihrem Umgang mit konkreten Problemen, z.B. mit dem Datenschutz und Sanktionen. Auch der Umgang der verschiedenen Berliner Akteure mit den Problemfelder Akkordlohnverbot/Mindestlohn, Konzessionsschwemme, Mitsprache bei den Taxitarifen und der Konzessionsvergabe, und damit verbunden die Mechaniken des Marktes, Eindämmung der Schwarzarbeit und Arbeitszeitkontrolle war für uns sehr interessant und gab uns hilfreiche Impulse.
Die Berliner sind als Gewerkschaft derzeit aktiv bei den Themen Mindestlohn und Taxitariferhöhung. Der Fachbereich Verkehr der großen Gewerkschaft hat ein Mitspracherecht bei der Konzessionsvergabe und bei den Taxitarifen, doch gegen schlecht informierte Politiker und unterbesetzte (oder desinteressierte?) Behörden ist es schwer anzukommen. Zwar wird der Mindestlohn unisono gefordert, aber es scheint bislang an Umsetzungsszenarien zu fehlen. Die Deregulation des Marktes in Zeiten einer schwachen Wirtschaftslage hat zu einem fortschreitenden Qualitätsverlust und zu einer Verschlechterung der Arbeitsbedingungen bis hin zu einem rechts- oder sittenwidrigen Ausmaß geführt. Sie hat auch zu einem Rückgang der Solidarität der Fahrer geführt.
Fehlende Arbeitsverträge und flächendeckende Verstöße gegen das Akkordlohnverbot werden von den Behörden nicht angegangen. Das führte und führt dazu, dass jede Taxitariferhöhung durch ein Anwachsen der Konzessionen aufgefressen wird, oder auch durch ein Anstieg der eingesetzten Taxis, wie in Bremen. Der Lohn für den Fahrer steigt damit nicht. Und um einen Mindestlohn von mageren 8,50 € finanzieren zu können, müsste sich der Umsatz pro Taxe verdoppeln. Im Gespräch ist in Berlin aber derzeit nur eine Tariferhöhung von 5,8 %. Die erste seit acht Jahren. Und mit einer Verschlechterung der Situation nehmen auch Beschwerden über Fahrer zu, die mit unkorrekten Mitteln an einen höheren Umsatz zu kommen versuchen.
In Berlin hat diese Deregulierung zu inzwischen 7.500 Taxikonzessionen geführt, die 3.000 Unternehmern gehören. 1.500 weitere Konzessionen sollen für den Landkreis Dahme-Spreewald herausgegeben werden, wenn der Großflughafen „Willy Brandt“ eröffnet wird, für den dann Ladeverbot für Berliner Taxis gelten wird. Jährlich werden ca. 700 Neuerteilungen in Berlin beantragt, und das obwohl den Behörden das Dumpinglohnproblem und andere Rechtsbrüche seit Jahren bekannt sind. Die AG Taxi Berlin machte immer wieder darauf aufmerksam, aber der Widerhall war bislang noch zu gering.
In Berlin hat, neben einer gewissen Anonymität, die untergeordnete Rolle der Zentralen der Solidarisierung potenziell entgegen gewirkt. Zwar gibt es auch hier Datenschutzverstöße, wenn auch in geringerem Umfang, aber meistens auch einen „Doppelfunk“. 50 bis 80 % des Geschäftes wird durch Einsteiger generiert. Drei Gesellschaftsgruppen betreiben unter sechs Rufnummern Fahrtenvermittlungen für 14.000 Fahrer. MyTaxi spielt zu dem auch eine größer werdende Rolle und ist eine sinnvolle Alternative, vor allem für den qualitätsbewussten Kunden. „Sanktionen“ wie Funksperren fallen hier also für den einzelnen Fahrer nicht so ins Gewicht, während auch keine Zentrale den Bogen so überspannt hat, wie unser Bremer Taxi-Ruf.
Hüben wir drüben herrscht ein ruinöses Überangebot, das die Fahrer mit Dumpinglöhnen auszubaden haben. Auch in Bremen droht bei weiterhin nachgiebig auftretender „Fachvereinigung Personenverkehr“ bzw. untätigem „Taxi-Ruf“ eine Deregulierung, der die IG entschieden entgegentritt. Vielmehr noch werden wir uns für eine intelligente Flottensteuerung einsetzen. Vorraussetzung dafür ist aber auch eine intelligente Führung des Unternehmerverbandes. Aus Sicht der angestellten Fahrer und selbstfahrenden Kleinunternehmer ist das eine große Herausforderung. Zunächst müssen die Arbeitsverhältnisse auf eine rechtlich einwandfreie Basis gebracht werden. Hier stehen uns in der Zukunft noch einige rechtliche Auseinandersetzungen ins Haus – denn selbst der Bremer Unternehmerverband zeigte sich im letzten Jahr auch „ganz von oben“ vollkommen uneinsichtig. Im Sinne der Lizenzeigner ist es nicht, vor diesen Problemen weiterhin die Augen zu verschließen – sei es nun aus einem Mangel an Willen, oder wegen fehlender Kompetenz.
Die Berliner werden sich fortan auch mehr um die konkreten Probleme der Fahrer kümmern müssen, um Erfolg zu haben. Und das sind auch despotische Zentralenfürsten und unsoziale Großunternehmer, fehlende Arbeitsverträge, Sozialleistungen und miserabelste Arbeitsbedingungen – und sie können dabei ihren Vorteil einer großen Gewerkschaft nutzen. In Rechtsfragen sind für uns in der Zukunft einige offene Fragen wohl nur noch gerichtlich zu klären. Jeder einzelne wäre daher mit einer Mitgliedschaft z.B. in der Ver.di und in gleichzeitig in einer der selbstorganisierten Verbände gut beraten.
Jetzt, da immer mehr Fahrer und Taxiunternehmer aufwachen, sind besser funktionierende Zusammenschlüsse der Gruppen notwendig. Geplant ist ein regelmäßiger Austausch mit anderen Verbänden sowie gemeinsame, möglichst bundesweite Aktionen. Das längerfristige Ziel ist neben der besseren Organisation der Fahrer und Unternehmer auch eine breitere Öffentlichkeit für unsere Probleme, die auch politische Entscheidungsträger erreicht.
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